Advent

Gestapeltes Wissen: Bücher übers Büchermachen

Das erste Lehrbuch über Schriftsatz, das ich in die Hände bekam, war nur geliehen. Als ich bei einem unserer Designerstammtische kurz vor der Jahrtausendwende erwähnte, dass ich mir eine handbetriebene KORREX-Andruckpresse gekauft hatte, da stellte sich heraus, dass eine Kollegin viele Jahre zuvor auf einer solchen Presse ihre Ausbildung zur Schriftsetzerin absolviert hatte. Sie überließ mir ihr altes Schulbuch eine Zeitlang zum Einstieg in den Handsatz. Mit Abschluss ihrer Lehre gab es kaum Aussicht auf eine Anstellung im Bereich Schriftsatz, und so hatte sie noch das Studium zur Graphikdesignerin draufgesetzt. Ich selbst war in der Runde von Graphik- und Produktdesignern Teil einer Minderheit: meine Aufgabenfelder waren – schon damals – Konzeption und Text. 

Lehrbücher zum Schriftsatz

Ich konnte das Buch dann später antiquarisch über ZVAB aufspüren und habe daher schon lange mein eigenes Exemplar – und das geliehene schon längst wieder zurückgegeben. Über die Jahre kamen etliche alte Lehrbücher über Buchdruck und Bleisatz dazu. Den einen oder andren Band bekam ich auch geschenkt von altgedienten Schriftsetzern im Ruhestand, die glücklich waren, dass ihr einst so unverzichtbares Handbuch nun jemand anderem gute Dienste leisten konnte; was dazu führte, dass einige Bände hier nun in verschiedenen Ausgaben vorliegen.

Lehrbücher zum Buchdruck

Ganz besonders oft nehme ich allerdings eine alte Ausgabe des Dudens zur Hand. Hier finden sich noch die alten Regeln zum Schriftsatz für Antiqua- und für Frakturschriften. Sehr wertvoll ist auch eine alte Ausgabe des Brockhaus, der komplett aus Frakturschrift gesetzt ist. Wo der Duden die Regeln für den Schriftsatz aus Fraktur kennt, zeigt das alte Lexikon den Fraktursatz in der Anwendung. 

Einbändiger Brockhaus, Fraktursatz, Ausgabe von 1941

Dieser einbändige Brockhaus ist die Ausgabe aus dem Jahr 1941 – just jenes Jahr, in dem der Duden letztmals in Fraktur erschienen ist. Im Januar 1941 waren die gebrochenen Schriften bei der herrschenden NSDAP in Ungnade gefallen, und fürderhin wurde die Antiqua als zu verwendende Normalschrift definiert. Die Dudenausgabe in Frakturschrift, die in meinem Regal steht, ist aus dem Jahr 1919.

Duden, Fraktursatz, Ausgabe von 1919

Mittlerweile gibt es auch Bücher zum Thema Buchdruck und Bleisatz, die neu im 21. Jahrhundert erschienen sind. Vor allem im englischen Sprachraum wird dazu publiziert. Eine Liste ist zu finden auf dem „Platz für Bleischriften“ der auf www.bleikloetzle.de eingerichtet ist. Auf dieser Liste finden sich auch einige schöne Romane zu den Themen Buch und Schrift.

Lehrbücher zum Buchbinden

Die ersten Handgriffe im handwerklichen Buchbinden habe ich ab ungefähr 1999 in Kursen beim Buchbinder-Kolleg in Stuttgart gelernt. Darauf aufbauend habe ich in den folgenden Jahren viel experimentiert und in einschlägigen Büchern gestöbert: Es gibt unglaublich viele Bücher darüber, wie man Bücher machen kann. Einige Standardwerke für die handwerklichen Grundlagen wurden geschrieben von Fritz Wiese. Er hat, ob nun mit oder ohne Augenzwinkern, zwei Bücher geschrieben, die beide den Haupttitel „Der Bucheinband“ haben, und sich lediglich in ihren Untertiteln – und freilich im Inhalt – unterscheiden. Das eine Werk ist „Der Bucheinband – eine Arbeitskunde mit Werkzeichnungen“, das andere „Der Bucheinband – Historische und neuartige Einbände“. Gustav Moessner hat „Die täglichen Buchbinderarbeiten – Eine Unterweisung in den einfachen Arbeiten der Buchbinderei“ verfasst. Und wenn es um Bücher geht, die ohne Leim und Kleister auskommen sollen, dann ist Keith Smith der Name, der fallen muss. Der Amerikaner hat eine ganze Serie von Büchern übers Büchermachen geschrieben. Er experimentiert mit ebensoviel Begeisterung wie Perfektion und entwickelt auch neue Techniken.

Zu ergänzen wären hier noch folgende zwei Titel:
„Das Buch vom Buch“ von Marion Janzin und Joachim Güntner – erschienen 1995 bei der Schlüterschen Verlagsanstalt – ein umfangreiches Werk, das 5000 Jahre Buchgeschichte erzählt,
und
„Wenn am Buch der Händler klebt“ von Reinhard Öhlberger, erschienen im Löcker Verlag, Wien – eine amüsante Geschichte der Buchhändlermarken.

Und hier der Kontakt zum Buchbinder-Colleg: www.buchbinder-colleg.de

2 Comments

  • Tanya van der Wacht

    Liebe Annette Disslin, vielen Dank für den faszinierenden Adventskalender, ich genieße die spannenden Geschichten und Infos von Anfang an mit immer mehr Interesse. Erstaunt als mir dämmerte dass ja jedermensch von Gutenberg gehört hat, und (wie ich, sehr gerne) liest aber im Grunde kaum jemand etwas über die Details, Abläufe und Hintergründe des Drucken bescheid weiß… So ist es wohl mit vielen Berufen, Handwerken und Kunstdisziplinen… Vielen Dank auch für die Roman Tipps. Es hat mich erinnert an einer meiner Lieblings Romane vom tschechischen Autor Bohumil Hrabal, der von Papier, Bücher, Kunst handelt. Vielleicht gefällt es Ihnen. Frohe Feiertage und einen gutes gesundes und kreatives 2021. Liebe Grüße, Tanya vd Wacht

    Inhaltsangabe zu “Allzu laute Einsamkeit” von B. Hrabal.
    In einer Altpapiersammelstelle bündelt Hrabal Bücher, die zum Einstampfen bestimmt sind, weil sich niemand für sie interessiert – oder weil die Zensur es so will. Aber »die Inquisitoren der ganzen Welt verbrennen die Bücher vergebens, und wenn die Bücher Gültiges enthalten, hört man sie im Feuer leise lachen«. Die Erfahrung der Wirklichkeit hat ihn zu der Erkenntnis gebracht, daß die Wahrheit, wenn überhaupt, nur in der Kunst zu finden sei. Komisch und sarkastisch, lebensprall und voller melancholischer Skepsis verflicht Hrabal Erlebtes und Erdachtes. Es ist der unnachahmliche Erzählton des »Königs der tschechischen Prosa«, als der Bohumil Hrabal (1914 – 1997) von den Kritikern gerühmt und von den Lesern geliebt wird. Hrabal hat dem Text eine Hommage an Franz Kafka beigefügt, dem er sich ebenso wie dem großen Humoristen Jaroslav Hacek nahe fühlte.

    • Annette Disslin

      Liebe Tanya von der Wacht, es freut mich zu hören, dass die Geschichten im Adventskalender Neues und Überraschendes erzählen konnten, und das Lesen Freude geschenkt hat. Vielen Dank für den Buchtipp: das klingt tatsächlich spannend, und danke auch für die guten Wünsche. Ich wünsche auch Ihnen frohe Festtage und ein rundum gutes neues Jahr. Annette C. Dißlin

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