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Das Original zwischen Buch und Plakat: der Einblattdruck

Einblattdrucke sind eigentlich eine ganz alte Sorte von Orignalen. Es gab sie bereits lange bevor Johannes Gutenberg dem Druck mit beweglichen Lettern zum Höhenflug verholfen und damit die Basis geschaffen hat, gut 500 Jahre später zum ‚Man of the Millenium‘ gewählt zu werden. In ihren Anfängen waren sie Holzschnitte, genau genommen Linienschnitte in Langholz, ganz dem ästhetischen Denken der hohen Gotik verhaftet. Weil es sich im Grunde um Holzschnitte handelt, werden sie mitunter auch als Einblattholzschnitte bezeichnet. 

Einblattdruck “Der Fuchs“, Handsatz aus der Wallau, Farbholzschnitt

Bildhafte und ornamentale Druckstöcke aus Holz waren traditionell für den Zeugdruck, also den Druck auf Geweben, genutzt worden. Nachdem die Technik der Papierherstellung nach Europa gekommen war und im ausgehenden Mittelalter Deutschland erreicht hatte, konnten Druckstöcke auch auf Papier abgedruckt werden. Man nahm sich eine Holzplatte und schnitzte die Motive hinein. Das Motiv wurde dann traditionell durch Handabrieb auf das Papier übertragen, das heißt die Einblattdrucke sind nicht in einer Druckpresse, sondern als Reiberdrucke hergestellt: Auf den eingefärbten Druckstock wird der Papierbogen aufgelegt, dann wird die Rückseite mit einem Reiber von Hand abgerieben und so die Farbe vom Druckstock auf das Papier übertragen. Auf diese Weise entstand ein Flugblatt oder eine kleine Bildergeschichte, meist jedoch ein erbauliches Blatt mit biblischem Inhalt, zum Beispiel Heiligengeschichten.

Einblattdruck “Die Lilien”, Matthäus 6: Vom Schätzesammeln und Sorgen,
Handsatz aus der Post-Antiqua, Holzschnitt

Die Bildmotive waren in der Regel nur als Schwarzliniendruck ausgeführt und wurden später mitunter von Hand koloriert. Manchmal wurde Text nachträglich von Hand eingetragen oder gleich in den Holzblock geschnitten und zusammen mit dem Bild gedruckt. 

Einblattdruck “Escaping the Embers“,
Linoldruck, Untermalung mit Farbe aus Erdpigmenten, Handsatz aus Bleilettern

In den frühen Blockbüchern sind mitunter solche Einblattdrucke zu Büchern zusammenfasst. Die Seiten waren dann als Doppelseiten angelegt, in der Mitte gefalzt und so geheftet; allerdings: die Drucktechnik des Reiberdruckes bringt es mit sich, dass sich das Reflief des Druckstockes in das Papier relativ stark einprägt, daher waren die Bogen nur auf der Vorderseite bedruckt – hatten also nur den Schöndruck, aber keinen Widerdruck. Auch konnten von den Holzdruckstöcken keine sehr großen Auflagen gedruckt werden, und da die Blätter Gebrauchsobjekte des Alltags waren, ist vermutlich nur ein kleiner Bruchteil der damaligen Produktion bis heute erhalten geblieben. Es sind vorwiegend jene Exemplare noch vorhanden, die in Apothekerschachteln, Altärchen, Schatullen oder Buchdeckel eingeklebt worden waren und so mitsamt dem jeweiligen Gegenstand erhalten geblieben sind.

Einblattdruck aus dem Mappenwerk “bleiklötzles Krisenseiten“, 2009

Eine spezielle Form der Einblattdrucke waren die Pestblätter, die während der Pestepidemie im 15. Jahrhundert entstanden. Sie zeigten oft die Schutzheiligen, die als Pesthelfer gesehen wurden: den Heiligen Sebastian und Johannes den Täufer. Bei Exemplaren, die nach Entwicklung der beweglichen Lettern und des Buchdruckes durch Gutenberg entstanden sind (um 1450), wurden mitunter Texte nachträglich auf dem Blatt ergänzt, indem sie mit Bleilettern im Buchdruck aufgedruckt wurden. Diese Texte waren dann meist entweder Gebete oder medizinische Anweisungen zu Rezepten für Medikamente oder Behandlungsweisen der Krankheit.

Einblattdruck Ballade von Alfred Lichtenstein “Capriccio“,
Handsatz aus der Fetten Antiqua, Linoldruck
Einblattdruck Ballade von Paul Scheerbarth “Ingrimm“,
Handsatz aus der Schadow, Linoldruck

Einblattdrucke sind heute eine Ausdrucksform innerhalb der Buchkunst. Sie geben die Möglichkeit, Bild- und Textelemente zu kombinieren, ohne dass eine Sequenzierung oder buchbinderische Techniken nötig werden. Sie stehen damit zwischen dem Künstlerbuch, für das eine Seitenabfolge festgelegt werden muss und oft auch ein beidseitiger Druck zweckmäßig ist, und dem Plakat, das in der Regel konkrete, datumsbezogene Informationen vermitteln soll, und seine eigentliche Bedeutung verliert, sobald das angekündigte Ereignis vorüber ist.

Einblattdrucke können als Einzelwerk konzipiert oder als Serie zusammengestellt sein, zum Beispiel in der Form des Mappenwerkes. Abhängig von der künstlerischen Idee, die dem Einblattdruck zu Grunde liegt, werden die Blätter entweder auf einer Druckpresse oder im Handabrieb gedruckt – oder als Kombination beider Techniken. Sie sind, genau wie Holzschnitte oder andere druckgraphische Werke, Originaldrucke, die durch den Künstler/die Künstlerin signiert und, bei Auflagendruck, nummeriert werden. 

Einblattdruck Ballade von Wiebke Wiesel “Meine Kakerlake“,
Handsatz aus der Trajanus, Linoldruck

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