Advent

Die 1980-er lassen grüßen: Folksongs von Falstaff

In den letzten paar Jahren vor dem Abitur hatten wir Englisch-Unterricht bei Herrn Faber. Immer mal wieder kam er mit einem Kassettenrekorder zum Unterricht. Und dann legte er eine Kassette ein mit einem englischen Song, und wir bekamen die Aufgabe, den Songtext herauszuhören und ihn zu übersetzen. Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr an die Titel erinnern, Bob Dylan könnte dabei gewesen sein. Aber ich weiß noch, dass ich diese Stunden genossen habe. 

Einblattdruck “Die Schlacht“,
Untermalung aus Erdpigmenten, Handsatz aus der Bodoni und der Post-Antiqua

Als ich später für ein Jahr nach Großbritannien ging, besuchte ich dort ein Konzert der Folk-Gruppe Falstaff. Das Konzert war in der Student‘s Union der University of Keele in Staffordshire. Das Gebäude war einer dieser unglücklichen Betonfehlgriffe der Architekten der 1970-er Jahre, als nüchterne Zweckmäßigkeit alles entschuldigte, auch den vollständigen Mangel an Ästhetik. Der Raum war verraucht, es wurde viel getrunken, der Abend war lang. Der Lead-Sänger war irgendwann so besoffen, dass er die Texte seiner Lieder nicht mehr auf die Reihe bekam. Aber der Geiger war eine Wucht. Der Fiddler war schlicht phänomenal. Er war ein kleiner, ruhiger, drahtiger Mann. Er wirkte völlig unspektakuär, bis er anfing, den Bogen über die Saiten zu ziehen. Ich hätte ihm stundenlang zuhören können. Am Ende kaufte ich ihre Kassette – ich hüte sie bis heute wie meinen Augapfel, obwohl mein alter Kassettenrekorder gar nicht mehr funktioniert. Aber wir haben alle Songs schon vor Jahren auf CD gebrannt – als die Zeiten andere wurden und Autoradios keine Kassetten, sondern nur noch CD‘s abspielen konnten. Heute können viele nicht mal mehr das. Es ist lange her, dass ich in England gelebt habe.

Einblattdruck “Die Schlacht“,
Untermalung aus Erdpigmenten, Handsatz aus der Bodoni und der Post-Antiqua

Zwei der Folksongs auf der Kassette habe ich ins Deutsche übertragen und als Einblattdrucke umgesetzt: im Jahr 2001 den Titel „Der Fuchs“ und 2003 den Titel „War die Schlacht schön, mein Herr?“. Die sportliche Übung, den Liedtext aus dem englischen Gesang herauszuhören und dann eine deutsche Version daraus zu machen, finde ich immer noch spannend.

Einblattdruck “Der Fuchs“, Handsatz aus der Wallau, Farbholzschnitt

Der Song über den Fuchs, der einer klassischen Fuchsjagd eine unerwartete Wendung gibt und Meute wie Reitern das Fürchten lehrt, war von Anfang an mein Favorit. Für den Farbholzschnitt dazu habe ich drei Druckstöcke geschnitten. Eine Freundin absolvierte damals gerade eine Ausbildung zur Tischlerin. Ihr Ausbildungsbetrieb war damit beschäftigt, Handläufe aus Buchenholz in einem großen Treppenhaus einer Schule zu fertigen. Von den Reststücken, den für alles zu kurzen Abschnitten, konnte ich einen Korb voll kriegen – der Rest wurde im Werkstattofen der Tischlerei verheizt. Die Stärke der Holzstücke ist etwas geringer als die Druckhöhe in der Andruckpresse – also perfekt. Die Feinjustierung der Höhe eines Druckstockes erfolgt ohnehin mit unterlegten Papierbogen. Der kleine schwarze Fuchs mit dem pfiffigen Blick war sofort „Everybody‘s Darling“. Also habe ich den vielen Bitten nachgegeben und den Fuchs auch noch als reine Druckgraphik, also ohne den zugehörigen Text, gedruckt. Eigentlich wird dann nicht klar, weshalb er schwarz ist und rote Augen hat. Aber sein Charme hat alles wettgemacht.

Originalgraphik “Reineke“, Farbholzschnitt
Einblattdruck “Die Schlacht“,
Übermalung mit Farben aus Erdpigmenten,
Handsatz aus der Bodoni und der Post-Antiqua

Mit dem Song „Did you like the Battle, Sir?“ verhält es sich ganz anders. Er erzählt von der Sinnlosigkeit des Krieges, dem Leid und dem Sterben für ein fragwürdiges Ziel. Das illustrative Element kommt hier von den Farben, die aus Erdpigmenten angerieben sind. Es sind die Farbtöne von aufgewühltem Schlamm und Blut, kombiniert aus roten Ockern und dunklen Umbratönen. Von diesem Einbalttdruck gibt es zwei Varianten: einige Bogen des schweren Büttenpapieres wurden vor dem Druckprozess eingefärbt, und der Text wurde dann auf diese Untermalung gedruckt. Für die andere Variante wurde der Text erst auf unbemaltes Bütten gedruckt und nachträglich übermalt.

Wo bei der letzteren Variante die Leichtigkeit und Dynamik mitschwingt, die mit einer Schlacht zu Pferde, dem Schwingen der Säbel verbunden ist, sind die Bogen der ersten Variante erdenschwer und tragen die gedankliche Unbeweglichkeit, Steifheit und Starre mit sich, die aus der Entschlossenheit der militärischen Führer zum Sieg um jeden Preis erwächst.

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