Advent

Ein Name (fast) wie für einen britischen Pub

Meine erste Englischlehrerin hieß Fräulein Hermann. Ihr Englisch war makellos britisch. Der Unterschied zu der Fremdsprache, die ich auf der Schule zuerst lernen musste, war frappant: wir hatten in der 5 mit Latein begonnen, Englisch kam erst in der 7 dazu. Den Reiz des Lateinischen entdeckten wir erst Jahre später, als Herr Wegener, der stets mit Begeisterung knallbunte Fliegen trug – Krawatten waren bei ihm ein Anzeichen für einen schlechten Tag und harte Arbeit im Unterricht -, uns lateinische Trinklieder beibrachte. (Er wurde dann leider ganz plötzlich versetzt.) Aber das Englisch von Fräulein Hermann hatte mich am Haken. Ich beschloss, ich müsse nach Großbritannien. Der Sprache wegen und auch ein bißchen wegen der Pferde. 

Die Gründe und Anlässe für meine Reisen auf die Insel waren letztlich so unterschiedlich, wie sie nur sein konnten: Reiterferien, eine Klassenfahrt nach London, eine Expedition nach Schottland, ein Jahr Studium an der University of Keele in Staffordshire, Urlaub in den schottischen Highlands und dann später auch Buchmessen in Oxford und Norwich – seit ich 1978 zum ersten mal in Großbritannien war, bin ich immer wieder dorthin gereist. Mit der Bahn und der Fähre über Dover, mit dem Auto und der Fähre über Harwich oder Rosyth, ausnahmsweise auch mal mit dem Flieger nach London.

Und jedes Mal wieder falle ich für die Namen der britischen Pubs. Dagegen scheinen die Namen deutscher Gaststätten hilflos zusammengeklaubt aus einer verstaubten Ausgabe eines Lehrbuches in Naturkunde  für Klasse 8: Zur Linde, Zum Hecht, Zum Goldenen Baum oder Gasthof zum Löwen.

Das große Spektrum an Pubnamen im Vereinigten Königreich hat mich von jeher begeistert. Freilich gibt es auch hier einige Klassiker, aber darüber hinaus zeugt die Vielfalt von einer Freude am Spielen mit Bildern und Bedeutungen, die nahezu grenzenlos scheint. Die Namen sind auch Ausdruck des britischen Humors und der Bereitwilligkeit, über sich selbst zu schmunzeln. Auch hier gibt es Naturkundliches: The Golden Pheasant, The Red Lion, The Dolphin, The White Horse, aber das Naturkundebuch scheint mehr Arten beschrieben zu haben, und mit The Fox & FiddlerThe Bird in Hand oder The Lazy Otter bekommt das rein Lehrbuchhafte seine angewandte Note.

The Priory und The Blackfriar oder The Comfy Pew (Die gemütliche Kirchenbank) knüpfen an die lange Tradition der Klöster an, die einst Heinrich der Achte auflöste. Klassiker sind The Horse and HoundsThe George and Dragon und The Crown and Trumpet. The Old New Inn hat sicher eine lange wechselvolle Geschichte zu erzählen. Und dann sind da all die Pubs, deren Namen darauf verweisen, dass die Menschen sich hier nach einem Tag harter Arbeit getroffen haben auf ein Bier: The Wheatsheaf Inn, The Donkey and Basket, The Gardener, The 3 Horseshoes, The Dun Cow, The Diary Maid und nicht zuletzt: The Hungry Horse und The Murderers. All diesen Pubnamen sind wir begegnet über die Jahre, in manchen der Pubs haben wir gegessen oder etwas getrunken. Das Priory in Burford macht ganz wundervolle Suppen und Eintöpfe, und The Wheatsheaf Inn bei Crewe kocht einfach köstlich.

Als wir im eisigen Januar des Jahres 2016 den alten Resthof in Oppenwehe, der mittlerweile unser Zuhause geworden ist, zum ersten Mal besichtigten, lagen auf dem Boden im ehemaligen Kuhstall eine Forke und ein Reisigbesen. Die roten Ziegelsteine des Stallbodens waren weiß berandet vom Salpeter, der schon lange ungestört seine zarten Blüten hier trieb. Aber ansonsten sah alles aus, als sei jemand gerade eben mit dem Stallfegen nach dem Ausmisten fertig geworden. Fork and Broom (Forke und Besen) – so könnte auch ein englischer Pub heißen, in den man auf ein Ale geht, wenn das Tagwerk geschafft ist.

Drucksaal bei The Fork and Broom Press

Der Stall ist inzwischen umgebaut zum Drucksaal: hier stehen jetzt die Buchdruckpressen und die Setzregale mit den Bleischriften. Die Forke und der Besen schlagen nun die Brücke zwischen der harten Arbeit in der Landwirtschaft, wie sie früher hier auf dem Hof an der Tagesordnung war, und der Knochenarbeit im Buchdruck und beim Hantieren mit den gewichtigen Bleischriften und Papierpacken, Tätigkeiten die alle untrennbar mit meiner Arbeit in der Buchkunst verbunden sind. Und englisch sollte der Name sein als Hommage an die Insel, die mir über all die Jahrzehnte so viele schöne Erlebnisse und Erinnerungen geschenkt hat. 
So ist das Atelier nach dem Umzug zu genau diesem Namen gekommen: The Fork and Broom Press.

Forke und Besen auf dem Boden des alten Kuhstalls

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