Advent

Farbenspiel am Druckbogen – die Varianten der Kolorierung

Der Druck mit beweglichen Lettern gehört zu den Techniken des Hochdruckes. Diese zeichnen sich mitnichten durch die Anwendung besonders hohen Druckes aus. Ganz im Gegenteil: gerade bei der Arbeit mit Bleilettern will der Anpressdruck wohl dosiert sein, um die Lettern nicht unnötig zu strapazieren und zu beschädigen. 

Holzdruckstock

Im Hochdruck werden Druckplatten verwendet, die ein Relief, also Höhenunterschiede, aufweisen, und es wird von den hoch stehenden Bereichen gedruckt – von da leitet sich das „Hoch“ im Hochdruck her. Die tiefen Region nehmen keine Farbe auf und bleiben blind, will heißen auf dem Druckbogen unsichtbar. Für die Druckstöcke lassen sich viele Materialien verwenden, häufig fällt die Wahl auf Holz oder Linoleum, aus dem die jeweils blind bleibenden Bereiche herausgeschnitten werden. 

Künstlerbuch “Cumbria“, Untermalung mit Farben aus Erdpigmenten

Der Druck ist dann erst einmal nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip: entweder ein Bereich druckt, oder der Bereich druckt nicht. Fließende Farbübergänge sind dem Hochdruck nicht so ohne weiteres zu entlocken. Diese dem Hochdruck innewohnende Unerbittlichkeit, ja Härte, ist freilich für den Druck von Schrift ein großer Vorteil, da auch zarte Strukturen in Bleilettern, gerade in ganz kleinen Schriftgraden, noch sauber abgebildet werden können. Wo Schattierung, Farbverläufe und das womöglich auch noch flächig gewünscht sind, da müssen andere Techniken einspringen. Die Altvorderen haben sich damit beholfen, Schwarzlinienschnitte zu drucken, und diese nachträglich von Hand mit farbigen Tinten und Tuschen zu kolorieren. Das wurde so gehandhabt bei den frühen Einblattdrucken, bei der Buchillumination und später bei den Moritatentafeln der Bänkelsänger. Im Ansatz stellt dies bereits eine Übermalung dar: ein Farbauftrag über das bereits gedruckte Motiv. Zunächst war dies das sorgsame Ausmalen einer – gedruckten – Linienzeichnung. Das Übermalen des gesamten Druckbogens in kraftvollen Pinselstrichen ist eine völlig andere Art des künstlerischen Ausdrucks und der Auseinandersetzung mit dem Motiv.

Einblattdruck “Die Schlacht”, Übermalung mit Farben aus Erdpigmenten

Es gibt freilich auch die umgekehrte Vorgehensweise: den Druckbogen zu bemalen bevor das Motiv gedruckt wird, also mit der Untermalung den Hintergrund für den Motivdruck erst zu schaffen. So wird nicht auf den reinen, weißen, unberührten Papierbogen gedruckt, sondern auf einen bereits gestalteten. Dabei kann der Reiz darin liegen, den Bogen zunächst frei einzufärben und damit dem Werk eine gewisse Freiheit im Entstehungsprozess einzuräumen. Alternativ dazu kann das Einfärben des Druckbogens auch bezogen auf einen bereits festgezurrten Entwurf ausgeführt werden, so dass nach dem Druck sich alles zu dem künstlerisch Vorgesehehenen Werk zusammenfügt. Beide Vorgehensweise haben ihre Tücken und ihre Faszination. Ein Risikofaktor bei der Untermalung ist, dass der Papierbogen sich gewöhnlich beim Einfärben verwirft. Papier nimmt Feuchtigkeit auf und dehnt sich, aber nicht in jede Richtung gleichmäßig. Und beim Einfärben bekommen manche Bereiche eventuell mehr Feuchtigkeit ab als andere – so können Unebenheiten entstehen. Soll der Bogen danach in einer Buchdruckpresse bedruckt werden, muss er nach dem Einfärben erst eingepresst werden, bis er wieder plan liegt. Werke, die mit Untermalungen gefertigt werden, nehmen daher oft viel Zeit in Anspruch. Wird darüber hinaus in Auflage gearbeitet, dann müssen alle für den Druck benötigten Bogen so bearbeitet werden. Das besondere Detail ist freilich: keiner dieser Bögen wird wie der andere, und damit ist jedes Werk ein Einzelstück.

R. M. Rilke “Der Panther“, Untermalung

Ich habe immer wieder gerne mit diesen Techniken gearbeitet. Im Jahr 2009, zum 10-jährigen Bestehen des Ateliers, entstand das Werk „Die schöne Lau“. Der Text dafür ist in der Form des Bänkelliedes verfasst und dazu wurde eine Moritatentafel entworfen. Ausgeführt ist sie als Schwarzlinienschnitt in einer Linolplatte. Jeder Druck wurde nachträglich von Hand koloriert. Beim Offenen Atelier zum Jubiläum konnten Besucher einen Abzug dieses Linolschnittes selbst auf der Druckpresse drucken und das Blatt dann zuhause eigenhändig kolorieren.

Ganz besonders gerne verwende ich für meine Untermalungen Farben, die ich aus Erdpigmenten anreibe. Die erdigen Ocker-, Umbra- und Rosttöne faszinieren mich von je. Eingesetzt habe ich dieses Material in dem Künstlerbuch „Cumbria“ und den bei den Einblattdrucken „Where My Books Go“, “Escaping the Embers” und „Die Schlacht“. Für letzteren habe ich 2003 eine deutsche Übertragung verfasst zu dem Folksong „Did you like the battle, Sir?“ Einen Teil der Auflage habe ich auf Bogen gedruckt, die vorab mit Erdpigmentfarben eingefärbt waren. Die Farbigkeit war in blutroten und erdig-graubraunen Tönen gehalten – die Farben einer blutigen Schlacht im aufgewühlten Feld. Die restliche Auflage habe ich zunächst ohne Untermalung gedruckt und im Jahr 2008 mit Erdpigmentfarben übermalt.

Für das Künstlerbuch „Cumbria“ wurden alle Bogen vor dem Druck auf beiden Seiten eingefärbt. Die Farben dazu wurden aus Edpigmenten angerieben, die Papierbogen mit verschiedenen Werkzeugen bemalt. Es sollte die Farbigkeit wiedergegeben sein, die vorherrschte, als ich zum Ende des Winters 1984/85 im Lake District unterwegs war: die Wedel des Adlerfarns waren tiefbraun gewesen und in den Bächen fanden sich Kiesel mit rostroten Eiseneinlagerungen.

Einblattdruck R. M. Rilke “Lösch mir die Augen aus“, Untermalung

Völlig anders vorgegangen bin ich bei den Einblattdrucken mit Gedichten von Rainer Maria Rilke und Stefan George. Auch hier wurden die Bogen vor dem Druck eingefärbt. Allerdings wurde hierbei mit einem batikartigen Prozess gearbeitet, der eine völlig andere Charakteristik hat und auch nicht bis ins letzte Detail kontrollierbar ist.

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