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    Der Stall: wo Liebe und Wahrheit ein Zuhause finden

    Wenn ich als Kind meine Großeltern besuchte, war mein größtes Glück der Moment, in dem mein Großvater mich mitnahm in seine alte Werkstatt. Er war Klempner und Elektriker gewesen. Ich muss noch sehr klein gewesen sein, als er mich das erste Mal dorthin mitnahm. Er war ein kleiner Mann und sein Gesicht ist das einer schwarzweiß Fotografie. Runzlig, alt und mit einer Brille, die viel zu groß ist für den hageren Kopf. An sein Gesicht von damals kann ich mich nicht im Detail erinnern – aber die Werkstatt sehe ich heute noch vor mir, obwohl sie schon seit vielen Jahren abgerissen ist. Dort steht jetzt ein Supermarkt und ein Seniorenheim. In meiner Erinnerung ist die alte Werkstatt ein Holzschuppen hinter dem…

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    Ein Name (fast) wie für einen britischen Pub

    Meine erste Englischlehrerin hieß Fräulein Hermann. Ihr Englisch war makellos britisch. Der Unterschied zu der Fremdsprache, die ich auf der Schule zuerst lernen musste, war frappant: wir hatten in der 5 mit Latein begonnen, Englisch kam erst in der 7 dazu. Den Reiz des Lateinischen entdeckten wir erst Jahre später, als Herr Wegener, der stets mit Begeisterung knallbunte Fliegen trug – Krawatten waren bei ihm ein Anzeichen für einen schlechten Tag und harte Arbeit im Unterricht -, uns lateinische Trinklieder beibrachte. (Er wurde dann leider ganz plötzlich versetzt.) Aber das Englisch von Fräulein Hermann hatte mich am Haken. Ich beschloss, ich müsse nach Großbritannien. Der Sprache wegen und auch ein bißchen wegen der Pferde.  Die Gründe und Anlässe für meine Reisen auf…

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    Altes Gewerk in neuem Wirkungsbereich: Kulturerbe

    Seit 15. März 2018 gehören die künstlerischen Drucktechniken zum immateriallen Kulturerbe in Deutschland. Dazu zählen neben dem Hochdruck der Tiefdruck mit Kupferstich und Radierung, der Flachdruck mit Lithographie und Lichtdruck, und der Siebdruck als Durchdrucktechnik. Schon lange werden viele ursprünglich handwerlich geprägte Drucktechniken überwiegend oder ausschließlich künstlerisch eingesetzt. Holzstich und Kupferstich waren lange als reine Bildreproduktionstechniken verpönt. Aber nachdem phototechische Verfahren eine noch bessere und vor allem schnellere Bildwiedergabe ermöglichten, konnte das Potential dieser alten handwerklichen Techniken im künstlerischen Bereich sich voll entfalten. Lithographie, der Druck vom Solnhofer Schieferstein, und Buchdruck wurden beide in den im gewerblichen und industriellen Zusammenhang operierenden Druckereien vom Offset-Druck abgelöst und damit irgendwie freigestellt oder so etwas wie arbeitslos. Das Traurige ist: Viele gute Pressen wurden verschrottet oder…

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    Ungefähr genormt: das Setzregal

    Im Bestand des Ateliers The Fork and Broom Press befinden sich gut drei Dutzend Setzregale. Sie stehen traditionell in langen Reihen, den sogenannten Setzergassen. Setzregale sind Arbeitsmöbel – und es sind unhandliche Arbeitsmöbel. Die Regale haben eine Steharbeitshöhe von einem Meter, sind meist etwas über einen Meter breit und um die 70 Zentimeter tief. In den Regalen werden die Schriftkästen, die die Bleischriften enthalten, verwahrt und an dem Regal wird mit den Schriften gearbeitet. Manche Regale haben Platz für 24 Schriftkästen, Versionen aus den 1950-er Jahren können bis zu 39 Kästen enthalten. Es gibt auch Spezialversionen mit extra Kästen für Messinglinien oder Blindmaterial, mit Aufsätzen für Regletten oder mit Schiebepulten auf der Arbeitsoberfläche, mitunter in zwei Ebenen. Die meisten meiner Setzregale sind…

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    Kommt ein Esel zur Papiermühle …

    Mein erstes Erlebins mit einem Esel ereignete sich, noch bevor ich in die Schule ging, auf einem Sonntagsausflug in einer Art Tierpark. Dort konnte man auf Eseln reiten und natürlich wollte ich das. Ein junger Mann führte den Esel, der Tag war sonnig, ich erinnere großkronige, vollbelaubte Bäume um uns herum. Es war ganz sicher kein böser Wille des Esels auch nicht die Widerborstigkeit, die man diesen Tieren immer nachsagt, das arme Tier ist wohl einfach nur gerutscht oder gestolpert. Jedenfalls endete der Ritt für mich ganz plötzlich in einer matschigen Pfütze, was meine Sympathien gegenüber Eseln zu keiner Zeit in irgendeiner Weise getrübt hat. Mir war nicht viel passiert, außer dass ich dreckig war –…

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    Schrift gießen für Anfänger: Monotype bei der Buchdruckerei Greno

    Der Vorschlag, wir könnten doch bei ihm eine eigene Schrift selbst gießen, kam von Heiner Buser bei unserem ersten Besuch in Nördlingen. Heiner hatte Jahre zuvor die Buchdruckerei Greno übernommen und führte sie weiter.  Neben den mächtigen Schnellpressen hatte er auch eine komplette Monotype-Gießanlage mit Taster stehen – inklusive Supra. Mit diesen konnten die kleineren, mit der Supra auch die großen Schriftgrade gegossen werden. Außerdem besaß er eine große Auswahl an Gießmatrizen. Ich musste nicht lange überlegen und entschied mich für die Baskerville.  Mein Mann Günter war für derlei mechanische Wunderwerke ohnehin augenblicklich zu begeistern, und am Ende war er es, der das Gießen übernahm und ich habe die frischen,…

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    Die Historie von der Schönen Lau neu erzählt

    Neulich traf ich einen Freund im Café. Man hatte uns Gewitter prophezeit, aber es war wieder nur schwül geworden. Er saß an diesem wackeligen Tischchen, einen Latte vor sich und schaute trübe in das hohe Glas. „Einer DIESER Montage?“ fragte ich. „Schlimmer, wir hatten Familiengeburtstag gestern.“ Auweh. Seine Mutter hatte wohl mal wieder Anekdoten aus seiner Kindheit zum Besten gegeben. Ach das sei ja so nett gewesen, als sie seinerzeit am Blautopf bei Ulm gewesen wären. Ein Tagesausflug, er noch keine fünf Jahre alt, und dann hätten sie in das so überaus blaue Wasser geschaut und zu ihm gesagt, wenn er nur oft genug nach der schönen Lau riefe, dann käme sie und würde ihm…

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    Wie es wirklich war mit dem Klötzle Blei

    s leit a Klötzle Blei glei bei Blaubeura, glei bei Blaubeura leit a Klötzle Blei. Der Herr Mörike, Eduard hieß er, hat anno 1852 die Historie von der schönen Lau, die einem Wassernix aus der Donau angetraut war, aufgeschrieben, eingebettet in die Geschichte vom Stuttgarter Hutzelmännlein. Darin kommen viele Schuhe vor, auch ganz merkwürdige, und auch sonst ist es ein wunderliches Märchen, in dem es vor Zauberhaftem nur so wimmelt. An der einen und andern Stelle taucht ein Beutel auf, mit einem Klötzle Blei darinnen. Auch dieses Blei, wohl in der Form eines Lotes, soll Zauberkräfte haben, zum Beispiel soll es unter gewissen Umständen unsichtbar machen können. Für die jüngeren…

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    Gestapeltes Wissen: Bücher übers Büchermachen

    Das erste Lehrbuch über Schriftsatz, das ich in die Hände bekam, war nur geliehen. Als ich bei einem unserer Designerstammtische kurz vor der Jahrtausendwende erwähnte, dass ich mir eine handbetriebene KORREX-Andruckpresse gekauft hatte, da stellte sich heraus, dass eine Kollegin viele Jahre zuvor auf einer solchen Presse ihre Ausbildung zur Schriftsetzerin absolviert hatte. Sie überließ mir ihr altes Schulbuch eine Zeitlang zum Einstieg in den Handsatz. Mit Abschluss ihrer Lehre gab es kaum Aussicht auf eine Anstellung im Bereich Schriftsatz, und so hatte sie noch das Studium zur Graphikdesignerin draufgesetzt. Ich selbst war in der Runde von Graphik- und Produktdesignern Teil einer Minderheit: meine Aufgabenfelder waren – schon damals – Konzeption und Text.  Ich konnte das Buch dann später antiquarisch über ZVAB aufspüren und habe daher schon lange mein eigenes…

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    Brückenschlag & Grenzüberschreitung in der Bildenden Kunst: das Künstlerplakat

    HAP Grieshaber, Andy Warhol, Pablo Picasso, Friedensreich Hundertwasser, Henri Toulouse-Lautrec, Max Bill, Joan Miró, Georges Braque und die Brücke-Künstler: allen war es, zumindest zeitweise, Thema und künstlerische Herausforderung. Vom Expressionismus bis zur Op Art, als Holzschnitt oder Siebdruck, klassisch oder provokant, in Auflagen von 200 oder 10.000 Exemplaren. Es scheint, als gäbe es keinen noch so kleinen gemeinsamen Nenner für das, was wir ein Künstlerplakat nennen. Und doch: Da ist einer. Was allen Künstlerplakaten gemeinsam ist: Stets überschreiten sie Grenzen, immer schaffen sie Verbindungen, schlagen Brücken zwischen Bereichen, die bis dahin als getrennt voneinander angesehen wurden. Seine erste große Blüte feierte das Künstlerplakat in den späten 50er Jahren des 20.…