Advent
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Gestapeltes Wissen: Bücher übers Büchermachen
Das erste Lehrbuch über Schriftsatz, das ich in die Hände bekam, war nur geliehen. Als ich bei einem unserer Designerstammtische kurz vor der Jahrtausendwende erwähnte, dass ich mir eine handbetriebene KORREX-Andruckpresse gekauft hatte, da stellte sich heraus, dass eine Kollegin viele Jahre zuvor auf einer solchen Presse ihre Ausbildung zur Schriftsetzerin absolviert hatte. Sie überließ mir ihr altes Schulbuch eine Zeitlang zum Einstieg in den Handsatz. Mit Abschluss ihrer Lehre gab es kaum Aussicht auf eine Anstellung im Bereich Schriftsatz, und so hatte sie noch das Studium zur Graphikdesignerin draufgesetzt. Ich selbst war in der Runde von Graphik- und Produktdesignern Teil einer Minderheit: meine Aufgabenfelder waren – schon damals – Konzeption und Text. Ich konnte das Buch dann später antiquarisch über ZVAB aufspüren und habe daher schon lange mein eigenes…
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Brückenschlag & Grenzüberschreitung in der Bildenden Kunst: das Künstlerplakat
HAP Grieshaber, Andy Warhol, Pablo Picasso, Friedensreich Hundertwasser, Henri Toulouse-Lautrec, Max Bill, Joan Miró, Georges Braque und die Brücke-Künstler: allen war es, zumindest zeitweise, Thema und künstlerische Herausforderung. Vom Expressionismus bis zur Op Art, als Holzschnitt oder Siebdruck, klassisch oder provokant, in Auflagen von 200 oder 10.000 Exemplaren. Es scheint, als gäbe es keinen noch so kleinen gemeinsamen Nenner für das, was wir ein Künstlerplakat nennen. Und doch: Da ist einer. Was allen Künstlerplakaten gemeinsam ist: Stets überschreiten sie Grenzen, immer schaffen sie Verbindungen, schlagen Brücken zwischen Bereichen, die bis dahin als getrennt voneinander angesehen wurden. Seine erste große Blüte feierte das Künstlerplakat in den späten 50er Jahren des 20.…
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Victor Hammer und seine Unziale
Als Victor Hammer 1923 seine erste Unzialschrift entwirft, ist er 41 Jahre alt. Er hatte Malerei studiert und im Ersten Weltkrieg als Kriegsmaler gearbeitet. In den 1920-er Jahren wendet er sich zunehmend der Graphik und Typographie zu. Seit 1922 betreibt der Architekt, Maler und Graphiker aus Wien die Stamperia del Santucco, seine eigene Handpresse, in Florenz. Was er da noch nicht wissen kann: Man wird ihn 1938 als Professor an die Akademie der Bildenden Künste in Wien berufen und ihm im folgenden Jahr diese Stelle wieder entziehen. Er wird in die USA emigrieren, zuerst nach Aurora (New York), später nach Lexington (Kentucky), wo er 1967 sterben wird. Allerdings wird er…
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Bänkellied & Moritat
Einen guten Ruf haben sie nicht gehabt, die Bänkelsänger. Man rechnete sie zum fahrenden Volk, sah ihr Tun als unseriös, ja anrüchig an. Auch Goethe wetterte gegen sie – was nicht jedem Maßstab sein muss. Oft genug waren es Kriegsversehrte oder Krüppel, die einen ehrbaren Beruf nicht mehr ergreifen konnten, und ihren Broterwerb auf Jahrmärkten und Messen suchten. Es sollen sich gar arme Bänkelsänger der Truppe des Schinderhannes angeschlossen haben – über den es übrigens auch ein Bänkellied gibt. Mit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts erlebte der echte Bänkelsang seinen Niedergang, erhalten blieben uns die Parodien darauf, die wir mit Frank Wedekind, mit Berthold Brecht, mit dem Kabarett und…
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Ramponiert im Dienst für Kultur und Wissen
Aus Gründen, die sich mir nicht vollständig offenbaren, finden immer wieder gerade die Geschundenen den Weg in mein Atelier auf der Suche nach einem Zufluchtsort. Meine erste Druckpresse war irgendwann in ihrer Laufbahn einmal nicht nur unsaft sondern auch unsachgemäß mit einem Hubwagen transportiert worden. Teile ihres Sockels waren dadurch dramatisch verbeult, was ihre Arbeisfähigkeit zwar nicht beinträchtigt, aber nunja – mit der gebotenen Sorgfalt wäre der Schaden zu vermeiden gewesen. Unter den gut drei Dutzend Setzregalen in meinem Atelier sind einige sehr alte Stücke. Man erkennt das daran, dass sie nicht aus honighellem Buchenholz gefertigt sind, sondern aus Nadelholz, das mit den Jahrzehnten dunkel, ja fast schwarz geworden ist. Das weiche Nadelholz ist natürlich…
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Shit happens: Makulaturen in Satz und Druck
Wie so vieles haben uns den Ursprung dieses Begriffs die Römer dagelassen. Macula ist lateinisch und bedeutet Fleck, Mal, Schandfleck; maculo ist das Verb dazu und heißt folgerichtig ich beflecke, besudele, entweihe. Es gibt auch noch das Wort maculosus, das Adjektiv, es steht für buntgefleckt, wie bei einem Tierfell, aber auch für befleckt, besudelt, berüchtigt. Unter Druckern werden diejenigen Druckbogen als Makulaturen bezeichnet, die fehlerhaft sind. Das können Flecken sein, ungleichmäßiger Farbauftrag, nicht korrekter Stand, aber auch Setzfehler, Falten im Papier und vieles mehr. Als Makulatur wird alles gewertet, was bei der abschließenden Qualitätskontrolle Mängel aufweist. Von einer neuen Druckform wurden zunächst beim Andruck die sogenannten Korrekturfahnen abgezogen, heute nennen wir diese Bogen „proofs“. Sie zeigten, ob…
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Die 1980-er lassen grüßen: Folksongs von Falstaff
In den letzten paar Jahren vor dem Abitur hatten wir Englisch-Unterricht bei Herrn Faber. Immer mal wieder kam er mit einem Kassettenrekorder zum Unterricht. Und dann legte er eine Kassette ein mit einem englischen Song, und wir bekamen die Aufgabe, den Songtext herauszuhören und ihn zu übersetzen. Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr an die Titel erinnern, Bob Dylan könnte dabei gewesen sein. Aber ich weiß noch, dass ich diese Stunden genossen habe. Als ich später für ein Jahr nach Großbritannien ging, besuchte ich dort ein Konzert der Folk-Gruppe Falstaff. Das Konzert war in der Student‘s Union der University of Keele in Staffordshire. Das Gebäude war einer dieser unglücklichen Betonfehlgriffe…
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Warum Bücher verbrennen keine gute Idee ist.
Ich war mal auf einer Messe in Frankfurt. Das ist schon so lange her, dass es sich anfühlt, als wäre es in einem anderen Leben gewesen. Aber dann fühlen sich Besuche auf der Frankfurter Messe ja ohnehin immer an, als wäre man in ein anderes Leben geraten. Mit der Klimaanlage, mit den befremdlichen Transportbändern für Menschen, mit der völligen Abwesenheit von Bänken oder Stühlen, um sich hinzusetzen, nicht um ein Hotdog zu essen (dafür gibt es genug Stühle), sondern einfach um die von allem, was es zu sehen gibt, aufgewühlten Wogen im Kopf etwas zur Ruhe kommen zu lassen, und vielleicht auch die Beine. Oder wenigstens die Füße. Aber wie gesagt, das…
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Bücher können ganz anders, man muss sie nur lassen …
Mit Büchern ist es ein bisschen wie mit Menschen: sie sind nicht alle gleich. Sobald die Ausgestaltung eines Buches nicht von den Staffelpreisen für Materialien und Fertigungsprozessen diktiert wird, eröffnen sich für Bücher eine große Vielzahl von Möglichkeiten. Sie werden dann zu Erlebniswelten, in denen ungewöhnliche Materialien überraschende Verbindungen miteinander eingehen können. Es können sich auch Funktionalitäten ergeben, die man in einem Buch nicht unbedingt erwarten würde. Die Art der Bindung oder Heftung gibt einem Buch ganz spezielle Charakteristika. Das gleiche Buch anders geheftet oder gebunden, wird zu einer völlig anderen Sache. Umgekehrt kann eine spezielle Buchidee mit einer passenden Heft- oder Bindetechnik besonders gut zum Ausdruck kommen – mit einer anderen Technik jedoch nahezu verloren gehen. Und ein und dasselbe…
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Das Original zwischen Buch und Plakat: der Einblattdruck
Einblattdrucke sind eigentlich eine ganz alte Sorte von Orignalen. Es gab sie bereits lange bevor Johannes Gutenberg dem Druck mit beweglichen Lettern zum Höhenflug verholfen und damit die Basis geschaffen hat, gut 500 Jahre später zum ‚Man of the Millenium‘ gewählt zu werden. In ihren Anfängen waren sie Holzschnitte, genau genommen Linienschnitte in Langholz, ganz dem ästhetischen Denken der hohen Gotik verhaftet. Weil es sich im Grunde um Holzschnitte handelt, werden sie mitunter auch als Einblattholzschnitte bezeichnet. Bildhafte und ornamentale Druckstöcke aus Holz waren traditionell für den Zeugdruck, also den Druck auf Geweben, genutzt worden. Nachdem die Technik der Papierherstellung nach Europa gekommen war und im ausgehenden Mittelalter Deutschland erreicht hatte, konnten Druckstöcke auch auf Papier abgedruckt werden. Man nahm sich eine Holzplatte und schnitzte die Motive hinein. Das Motiv wurde dann traditionell durch…